INHALTSWARNUNG: Dieser Beitrag untersucht die Indoktrination deutscher Jugendlicher unter dem Nationalsozialismus und die Handlungen eines Einzelnen in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs. Es geht um die NS-Ideologie und die Gewalt der Nachkriegszeit. Zweck: ausschließlich historische Bildung.

Ilse Hirsch wurde am 21. Mai 1922 in Hamm, Westfalen, geboren und wuchs in einer Zeit intensiver Nazi-Indoktrinationsbemühungen auf, die sich gegen die deutsche Jugend richteten.
Im Alter von zehn Jahren erlebte sie, wie Adolf Hitler Reichskanzler wurde. Mit sechzehn trat sie dem Bund Deutscher Mädel (BDM) bei, dem weiblichen Pendant zur Hitlerjugend. Wie viele junge Menschen jener Zeit wurde sie mit Lehren konfrontiert, die Loyalität zum Führer, Rassenideologie, körperliches Training und die Vorbereitung auf Aufgaben im Staatsdienst betonten. Ab 1939 war die Mitgliedschaft in solchen Organisationen Pflicht; wer sich weigerte, musste mit Überprüfungen der Familien rechnen.
Als sich das Kriegsglück Ende 1944 gegen Deutschland wendete, gründete das Regime eine geheime Widerstandsorganisation namens Unternehmen Werwolf, deren Ziel es war, nach der Kapitulation Sabotageakte und gezielte Aktionen hinter den alliierten Linien durchzuführen.

Im Alter von 22 Jahren gehörte Hirsch zu den wenigen Frauen, die dafür rekrutiert wurden. Sie absolvierte eine Ausbildung in Sprengstoffen, Schusswaffen und irregulärer Kriegsführung in einer geheimen Einrichtung in der Nähe von Koblenz und wurde einem sechsköpfigen Team namens „Gruppe Ost“ zugeteilt.
In der Nacht vom 21. auf den 22. März 1945 sprang das Team mit dem Fallschirm über der Eifel nahe der belgischen Grenze ab. Ihr Ziel war Dr. Franz Oppenhoff, ein von US-Truppen in der befreiten Stadt Aachen eingesetzter, gegen die Nazis eingestellter Bürgermeister.
Am 25. März 1945 näherte sich die Gruppe, als belgische Flüchtlinge verkleidet, Oppenhoffs Haus. Hirsch hielt Wache, während andere sich durch das Singen eines Volksliedes Zutritt verschafften. Als Oppenhoff erschien, wurde er aus nächster Nähe tödlich getroffen. Die Gruppe entkam und zeigte dabei den Hitlergruß.
Dieser Vorfall, der erste bestätigte Erfolg der Werwolf-Operation, beunruhigte die alliierten Streitkräfte und wurde als Beweis für den anhaltenden Nazi-Extremismus hervorgehoben.
Während ihres Rückzugs in die deutschen Linien wurde Hirsch durch eine Landmine schwer verletzt und verlor einen Teil ihres Fußes. Sie und die übrigen Teammitglieder wurden von US-Truppen gefangen genommen und 1946/47 vor ein Militärtribunal gestellt. Die Strafen variierten zwischen zwei und vier Jahren; Hirschs Strafe fiel angesichts ihres Alters und des Ausmaßes ihrer Indoktrination vergleichsweise mild aus.
Nach ihrer Inhaftierung verschwand sie aus den öffentlichen Aufzeichnungen, und es sind nur wenige Informationen über ihr weiteres Leben verfügbar.
Hirschs Erfahrungen verdeutlichen nicht nur persönliches Handeln, sondern auch die weitreichenderen Folgen systematischer Propaganda, verpflichtender Jugendprogramme und erzwungenen Gehorsams unter einem totalitären System. Sie unterstreichen die menschlichen Konsequenzen, wenn Ideologie das individuelle Urteilsvermögen verdrängt.
Quellen:
- Perry Biddiscombe, Werwolf! Die Geschichte der Nazi-Widerstandsbewegung 1944–1946
- Deutsches Bundesarchiv – Prozessakten zum Werwolf
- Aachener Stadtarchiv – Akte zum Attentat auf Franz Oppenhoff