An einem frischen Septembermorgen im Jahr 2005 packte Emily Carter, eine 24-jährige Krankenschwester aus Anchorage, Alaska, ihren Rucksack, schloss die Tür ihrer kleinen Wohnung und machte sich auf zu einer Wochenendwanderung im weitläufigen Chugach National Forest. Die Region ist für ihre raue Schönheit und ihre uralten Kiefern bekannt und zieht jedes Jahr Tausende von Outdoor-Fans an.
Emily, eine erfahrene Wanderin aus einer Bergsteigerfamilie, kannte das Gelände bestens. Doch was als friedlicher Solo-Ausflug geplant war, entwickelte sich zu einem der rätselhaftesten Vermisstenfälle Alaskas – ein Mysterium, das ihre Familie und die örtliche Gemeinde jahrelang verfolgen sollte.

Eine Familie von Abenteurern
Emilys Liebe zur Natur wurde ihr schon in der Kindheit in die Wiege gelegt. Ihr Vater, John Carter, war jahrzehntelang Kletterlehrer, während ihre Mutter, Susan, Biologie unterrichtete und Schulexpeditionen in die Wildnis leitete. Die Wochenenden verbrachte sie mit Wanderungen durch Wälder, Klettertouren und Zelten unter freiem Himmel. Nach ihrem Highschool-Abschluss konnte Emily die Chugach-Wanderwege mit denen professioneller Führer aufnehmen.
Nach ihrem Abschluss als Krankenschwester zog Emily nach Anchorage, behielt aber ihr monatliches Ritual des Wanderns im Wald bei. Im September 2005 war sie von den langen Schichten auf der Intensivstation erschöpft. Am Mittwoch, dem 21. September, erzählte sie ihrer Freundin Rachel Thomas, dass sie bei einer Solowanderung auf dem vertrauten Pine Ridge Trail in der Nähe des Eagle River neue Kraft tanken wolle.
Die letzten bekannten Bewegungen
Emily verließ Anchorage am 22. September um 7:00 Uhr morgens in ihrem roten Subaru Outback. Überwachungsaufnahmen einer Tankstelle in Palmer, aufgenommen um 9:40 Uhr, zeigen, wie sie Wasser, einen Energieriegel und Ersatzbatterien für ihre Taschenlampe kaufte. Der Kassierer, Mark Davis, erinnerte sich, dass Emily sich nach dem Wetter erkundigte – es war für den Nachmittag vorhergesagt – und Proviant für eine längere Wanderung kaufte.
Um 10:30 Uhr parkte Emily am Ausgangspunkt des Pine Ridge-Wanderwegs. Im Gästebuch findet sich ihr Eintrag: „Emily Carter, nur Wanderung, Rückkehr Sonntag, 25.9.“. Der mittelschwere Weg schlängelt sich durch dichte Kiefernwälder und hinauf zum malerischen Panoramic Bluff, eine sechsstündige Rundwanderung.
Wetterberichte aus dieser Woche beschrieben wechselnde Bedingungen: Morgennebel, nachmittags Schauer und sinkende Temperaturen in der Nacht. Die letzte bestätigte Sichtung von Emily erfolgte am 23. September um 14:00 Uhr durch den Wanderkollegen David Riggs und seine Frau Carol. „Sie wirkte ruhig, kam vom Bach herunter, trug eine marineblaue Jacke und Wanderschuhe“, erzählte Riggs später den Ermittlern. Sie begrüßten sich und gingen dann getrennte Wege.
Die Suche beginnt
Als Emily am Montag nicht zu ihrer Schicht erschien, machte sich ihre Chefin Barbara Cole Sorgen und kontaktierte Rachel Thomas. Rachel besuchte Emilys Wohnung: Ihr Auto fehlte, ihr Briefkasten quoll über und die Nachbarn hatten sie seit dem Wochenende nicht mehr gesehen.
Erste Versuche, eine Vermisstenanzeige aufzugeben, wurden von der Polizei mit Verweis auf die 48-Stunden-Frist abgelehnt. Die offizielle Suche begann am 28. September, als Ranger Michael Stone Emilys verschlossenen Subaru am Ausgangspunkt des Wanderwegs fand. Auf dem Sitz lagen ihre Sonnenbrille und eine leere Wasserflasche.
Teams aus Rangern und Freiwilligen durchkämmten die Wege mit Spürhunden und Hubschraubern auf der Suche nach Schluchten, Wasserfällen und Höhlen. Der Regen hatte die meisten Gerüche weggespült; nur eine Verpackung eines Energieriegels, die zu Emilys Kauf passte, wurde in der Nähe des Aussichtspunkts gefunden.
Emilys Eltern kehrten von einer Reise zurück und beteiligten sich an der Suche. Sie vermuteten, dass sie möglicherweise einen Wasserfall besucht hatte, der ihr in ihrer Kindheit besonders am Herzen lag. Doch nach wochenlangen Bemühungen wurde die Suche abgebrochen, als die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fielen.
Ein ungelöster Fall und eine beunruhigende Führung
Detective Robert Clark von der Alaska State Troopers übernahm die Ermittlungen. Interviews mit Freunden und Kollegen schilderten Emily als verantwortungsbewusst und vorsichtig, ohne Schulden oder persönliche Konflikte. Ihre Telefonaufzeichnungen zeigten häufigen Kontakt mit Brad Morrison, einem einheimischen Wanderführer, den sie im Juli auf einer Gruppenreise kennengelernt hatte.
Morrisons Alibi für das Wochenende von Emilys Verschwinden war wackelig; er gab an, eine Tour geleitet zu haben, die jedoch, wie sich später herausstellte, wegen des Wetters abgesagt wurde. Blutflecken in Morrisons SUV wurden später als Hirschblut identifiziert, und er wurde freigelassen.
Monate vergingen ohne neue Hinweise. Emilys Eltern beauftragten den Privatdetektiv Samuel Hart, der bereits frühere Belästigungsvorwürfe gegen Morrison aufdeckte, jedoch ohne schlüssige Ergebnisse. Dann verschwand Morrison selbst. Sein verlassener Truck wurde auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums gefunden, mit seiner Brieftasche und seinen Schlüsseln darin. Die Polizei vermutete Selbstmord, doch Emilys Eltern glaubten, er sei untergetaucht.
Ein Durchbruch im Wald
Fünf Jahre später, im Herbst 2010, machten die örtlichen Jäger Rick und Dave Patterson bei der Verfolgung eines verletzten Hirsches einen grausamen Fund. Unter dem verworrenen Wurzelwerk einer uralten Kiefer, nur 20 Meter von dem Pfad entfernt, auf dem Emily zuletzt gesehen worden war, lagen menschliche Knochen, teilweise mit Erde und Blättern bedeckt. In der Nähe wurden die Überreste einer marineblauen Jacke und eines grauen Rucksacks gefunden.
Zahnärztliche Unterlagen bestätigten, dass es sich bei den Überresten um Emilys handelte. Forensische Analysen ergaben, dass die Leiche absichtlich unter Wurzeln platziert worden war, die einen natürlichen Schutz bildeten. Mehrere Rippen und der Schädel wiesen absichtlich dünne Schnitte auf, die mit einem scharfen Gegenstand vorgenommen worden waren.
Um die Handgelenksknochen wurde Metalldraht gefunden, was darauf hindeutet, dass die Hände des Opfers auf dem Rücken gefesselt waren. Auf der Jacke wurden Spuren von Pflanzenleim entdeckt, der zur Herstellung von Tierfallen verwendet wird und seltsame Streifen und Flecken bildete.
Unter den geborgenen persönlichen Gegenständen befand sich eine primitive Holzschnitzerei eines Tieres, möglicherweise eines Wolfes oder Hirsches. Experten stellten fest, dass sie von einem Linkshänder mit professionellem Werkzeug aus lokalem Ahornmaserholz geschnitzt worden war.
Das serielle Muster entsteht

Detective Daniel Walker, der den Fall übernahm, bemerkte unheimliche Parallelen zu anderen ungeklärten Verschwinden. Eine Karte, die in der Werkstatt von Walter Hines gefunden wurde, einem linkshändigen Holzschnitzer, der zur gleichen Zeit wie Morrison aus der Gegend verschwunden war, markierte mehrere Waldstellen mit roten Kreuzen, die jeweils einem Vermisstenfall entsprachen.
An der mit Morrisons Initialen gekennzeichneten Stelle fanden die Sucher einen weiteren Satz menschlicher Überreste, die auf die gleiche Weise gefesselt und zerstückelt waren, und in der Nähe befand sich eine Bärenschnitzerei.
Weitere Suchaktionen an anderen markierten Orten förderten zwei weitere Opfer zutage: einen Mann mittleren Alters und eine vermisste Frau aus einem benachbarten Landkreis. Forensische Experten kamen zu dem Schluss, dass alle vier an zahlreichen oberflächlichen Schnittwunden langsam verblutet waren. Ihre Hände waren mit Stahldraht gefesselt, der in Jagdfallen verwendet wird. Der Pflanzenleim, der auf ihrer Kleidung gefunden wurde, wurde aus Baumharz der Region hergestellt – eine Technik, die nur erfahrenen Jägern bekannt ist.
Das Ritual eines Mörders
Walter Hines, der mutmaßliche Mörder, wurde nie gefunden. Psychologen vermuteten, dass er nicht aus Raub oder sexueller Gewalt Befriedigung zog, sondern aus dem rituellen Prozess selbst, bei dem er seine Opfer als Material für eine makabre Zeremonie mit Holzfiguren benutzte. Das Motiv bleibt unklar, und Hines soll aus dem Staat geflohen sein oder sich das Leben genommen haben.
Die Anwohner meiden nun die verfluchten Kiefernwälder, in denen die Leichen gefunden wurden. Emily Carters Geschichte ist eine erschreckende Erinnerung: Selbst die schönste Wildnis kann tödliche Geheimnisse bergen, und der Reiz der Einsamkeit in der Natur kann manchmal in den Schatten der Gefahr münden.
Eine Warnung für Abenteurer
Das Rätsel um Emily Carters Verschwinden und die darauf folgenden grausamen Entdeckungen haben die Wandergemeinde Alaskas nachhaltig geprägt. Ihre Familie hat sie schließlich beerdigt, doch Fragen bleiben bestehen. Auch wenn neue Generationen von Wanderern in die Wälder ziehen, gilt die Lektion: Respektiere die Wildnis, vertraue deinen Instinkten und denke daran, dass nicht alle Gefahren auf der Karte verzeichnet sind.